Lesung
Das Leben hält so manchen äußeren oder inneren unfreiwilligen Umzug für uns bereit. Wir werden einfach in den Umzugswagen gepackt und müssen mitmachen." Dies hat die Gaimersheimerin Annemie Klumpp-Servais als Gesamterfahrung mit ihrem Sohn Johannes mit Down-Syndrom auf der Umschlagrückseite ihres im Dezember 2009 erschienenen Buches „Das andere Geschenk" festgehalten. Bei einer Autorenlesung am Donnerstagabend im Caritas-Zentrum St. Vinzenz in Ingolstadt, in dessen Schule ihr Sohn mittlerweile die dritte Klasse besucht, ließ sie rund 25 Zuhörerinnen und Zuhörer an ihren besonderen Erfahrungen teilhaben: an ihren anfänglichen Ängsten und dem Ringen der Mutter mit sich selbst angesichts sehr großer Belastungen ebenso wie an der Bereicherung ihres Lebens durch „das andere Geschenk", das sie so nicht erwartete, aber als welches sie ihren Sohn mit Behinderung nun erlebt.
Das Kapitel „Behinderung und Bereicherung" in dem knapp 170-seitigen Buch war denn auch jenes, das Annemie Klumpp-Servais in den Mittelpunkt ihrer Lesung stellte. „Dieses liegt mir besonders am Herzen, und deshalb habe ich es zu 50 Prozent geschrieben", betonte sie. „Behinderte können wertvolle Botschafter, Erzieher und Spiegel in der Welt der Normalen sein, wenn letztere sich für diese Botschaften öffnen und nicht im Vorfeld ihren Verstand losschicken mit dem Stempel: Ach, der da vor mir ist ja behindert, armes Schwein, aber mit dem habe ich ja nichts zu tun, nichts gemeinsam", las sie vor.
Wie Menschen mit Behinderung besondere menschlich-emotionale Stärken zum Wohl anderer einbringen, beschreibt sie in ihrem Buch an einem Beispiel ihres Sohnes Johannes. Eine Mutter eines Buben mit sogenannten autistischen Zügen im Integrationskindergarten habe ihr erklärt, ihr Sohn lebe in einer eigenen Welt und finde nicht leicht Kontakt zu anderen. Er sei jedoch gerne in Johannes' Nähe: „Er redet zu Hause viel von Johannes und möchte auf jeden Fall, dass Johannes zu seinem Geburtstag kommt." Annemie Klumpp-Servais führt dies darauf zurück, dass ihr Sohn anderen vorurteilsfrei begegne. Ihr Fazit: „Behinderte wollen als die angenommen sein, die sie sind, wie alle anderen Menschen auch."
Natürlich, betonte die Autorin, seien heutzutage viele Förderungen für Menschen mit Behinderung hilfreich, um deren Leistungsfähigkeiten graduell zu erhöhen. Dies dürfe jedoch nicht zu einem „ständigen Optimieren" führen, das darauf abzielt, Menschen prinzipiell zu ändern, „ohne zur Ruhe zu kommen". Die Erfahrung der Autorin, dass es im Zweifel besser sei, das Anderssein zu akzeptieren, bestätigte bei der Veranstaltung eine Mutter, die ebenfalls ein Kind mit Behinderung hat.
Als zweites großes Ziel ihres Buches erklärte Annemie Klumpp-Servais denn auch, anderen Eltern zu einer bewussteren Annahme eines Kindes mit Behinderung zu verhelfen. Sie dürften sich nicht in eine Opferrolle drängen lassen. Natürlich, gab die Autorin zu, sei dies nicht leicht, wenn nach der Geburt eines Kindes häufig zuerst gesagt werde „Gott sei dank, das Kind ist gesund". Und natürlich werde das Leben mit einem Kind mit Behinderung unweigerlich erschwert. Doch es gelte, ein grundsätzlich positives Selbstwertgefühl zu entwickeln. Und dies könne gerade dadurch gelingen, dass man in der Erziehung - anders als Eltern mit einem „normalen" Kind - eine ganz besondere Lebensaufgabe sehen kann.
Der Schulleiter des Privaten Förderzentrums mit Schwerpunkt Geistige Entwicklung des Caritas-Zentrums St. Vinzenz Ingolstadt, Roberts Krigers, dankte Annemie Klumpp-Servais nach der Lesung mit einem Blumenstrauß. Er bezeichnete es als „Glücksfall, dass wir eine Autorin in der Elternschaft haben" und hofft, dass „die positive Energie", die sie vermittelt habe, auch neue Impulse für die Arbeit in seiner Schule bringt.